(ip/RVR) Nach Rechtsprechung des V. Zivilsenates des Bundesgerichtshofes reicht es für die Annahme einer arglistigen Zustellungsvereitelung alleine nicht aus, wenn der Beteiligte während des Zwangsversteigerungsverfahrens mit Zustellungen zu rechnen hat und trotz eines Umzuges dem Gericht weder eine neue Adresse mitteilt noch einen Nachsendeantrag stellt.

In Casu ordnete das Vollstreckungsgericht im Februar 2008 die Wiederversteigerung des Grundstücks an, nachdem der Ersteher das Meistgebot nicht gezahlt hatte. Nach erneutem Versteigerungstermin und Meistgebot im Dezember 2008 bewilligten zwei Grund-pfandgläubiger die einstweilige Einstellung des Verfahrens. Der Zuschlag wurde versagt.

Nach deren Anträgen wurde das Verfahren mit Beschlüssen vom 03. Juni 2009 fortgesetzt. Diese Beschlüsse konnten dem Ersteher nicht unter seiner bis dahin bekannten Adresse zugestellt werden. Sodann wurde die Zustellung dieser Beschlüsse zusammen mit der Bestimmung des neuen Versteigerungstermins auf den 14. Oktober 2009 an eine vermeintliche ältere Anschrift veranlasst. Nach der Zustellungsurkunde wurden die Schriftstücke in den zu dieser Wohnung gehörenden Briefkasten eingelegt. Nach weiteren Verfahrensverzögerungen erging ein erneuter Zuschlag an einen weiteren Beteiligten.

Dieser Zuschlagsbeschluss konnte wiederum nicht zugestellt werden, da der Erstersteher nach Auskunft des Einwohnermeldeamtes zwischenzeitlich von Amts wegen nach unbekannt hin abgemeldet wurde. Der Zuschlagsbeschluss wurde sodann einer Zugangsvertreterin zugestellt.

Gegen den Zuschlagsbeschluss legte der Erstersteher sofortige Beschwerde ein, welche erfolglos blieb. Mit der Rechtsbeschwerde zum BGH verfolgte er sein Begehren weiter - den Zuschlag nach §§ 83 Nr. 1, 43 Abs. 2 ZVG zu versagen - und war damit erfolgreich.

Das Beschwerdegericht meinte, der Erstersteher könne sich wegen Rechtsmissbrauchs nicht auf § 43 Abs. 2 ZVG berufen. Es könne dahinstehen, ob er jemals unter der Adresse gelebt habe, an welche die Beschlüsse geschickt wurden. Durch die vorangegangenen Zustellungen sei ihm jedenfalls bekannt gewesen, dass das Wiederversteigerungsverfahren betrieben werde, mithin hätte er mit Zustellungen rechnen und dafür Sorge tragen müssen, dass ihm diese zugestellt werden können. Aus seinem Verhalten ergebe sich indessen der zielgerichtete Versuch der Zugangsverhinderung, weshalb er sich nicht auf die unterbliebene Zustellung berufen könne.

Dies sah der erkennende V. Zivilsenat des BGH anders. Worauf es beruht, dass in die Zustellungsurkunden aufgenommen wurde, die Beschlüsse seien in einen zur Wohnung des Adressaten gehörenden Briefkasten eingelegt worden, sei nach den bindenden Feststellungen des Beschwerdegerichts ungeklärt geblieben. Es sei nicht auszuschließen und damit zugunsten des Ersterstehers zu unterstellen, er habe zu keiner Zeit unter der Anschrift gelebt. Damit unterblieb die von § 43 Abs. 2 ZVG geforderte fristgerechte Zustellung an den Beteiligten.

Nach seinem Verhalten könne es dem Erstersteher auch nicht verwehrt sein, sich auf diese fehlende Zustellung zu berufen: „Die Verpflichtung des Gerichts, Schriftstücke zuzustellen, entfällt nicht deshalb, weil ein Beteiligter während eines Zwangsversteigerungsverfahrens umzieht und es unterlässt, seine neue Anschrift mitzuteilen bzw. einen Nachsendeantrag zu stellen. Dieser verletzt hierdurch weder eine Rechtspflicht noch kann aus diesem Verhalten allein der Schluss gezogen werden, er versuche, Zustellungen zu vereiteln“ (Rz. 16 der Entscheidung). Danach hätte es eines weiteren Zustellungsversuchs - notfalls über einen Zustellungsvertreter - bedurft. Denn auch unter dem Gesichtspunkt der arglistigen Zugangsvereitelung könne die Zustellung an die alte Adresse nicht als bewirkt angesehen werden, da dafür das Verhalten des Ersterstehers für sich genommen nicht ausreiche, obgleich er mit Zustellungen zu rechnen brauchte. Vielmehr könne sein Verhalten auch auf reiner Nachlässigkeit beruhen.

Das Original-Urteil kann hier abgerufen werden:

BGH vom 07.10.2010, Az. V ZB 37/10


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