(IP) Hinsichtlich der gezielten Verzögerung des Verfahrensablaufs einer Zwangsversteigerung hat das Landgericht (LG) Mainz mit Leitsatz entschieden.

„1. Ein Gericht darf keine Gesichtspunkte berücksichtigen, deren Geltendmachung durch die Parteien eine unzulässige Rechtsausübung oder einen Rechtsmissbrauch darstellt. Ein Gericht kann und muss eine zwingende gesetzliche Vorschrift insoweit unberücksichtigt lassen, als ihre Anwendung im Einzelfall die Wirkung eines Rechtsmissbrauchs hätte. Dies gilt auch in der Zwangsversteigerung.
2. Ein Rechtsmissbrauch ist zu bejahen, wenn das Verhalten des Schuldners während des gesamten Verfahrens darauf schließen lässt, dass dieser die formalen Regelungen des Zwangsversteigerungsrechts mit dem alleinigen Ziel ausnutzt, die Zwangsversteigerung zu verzögern.“

Der Vollstreckungsschuldner hatte hinsichtlich Verfahrensablauf seiner Zwangsversteigerung stark verzögernd taktiert. Das Landgericht fasste diesbezüglich wie folgt zusammen: „So lässt sich in der Gesamtbetrachtung des Verhaltens des Schuldners, wie das Amtsgericht zutreffend dargestellt hat, während des gesamten Verfahrens der Eindruck gewinnen, dass dieser die formalen Regelungen des Zwangsversteigerungsrechts mit dem alleinigen Ziel ausgenutzt hat, die Zwangsversteigerung zu verzögern. Beispielsweise hat der Schuldner widersprüchliches Verhalten gezeigt, indem er auf der einen Seite Vollstreckungsschutzanträge gestellt hat, mit der Begründung, dass er aufgrund seines Gesundheitszustandes seine häusliche Umgebung nicht verlassen kann und auf der anderen Seite das Haus selbst zum freihändigen Verkauf angeboten hat. Weiterhin stellte er die Behauptung auf, dass im Haus Schimmelbefall sei und der Verkehrswert geringer sei, behauptete jedoch zugleich, dass der Grundbesitz durch das Versteigerungsverfahren verschleudert worden sei, obwohl das abgegebene Meistgebot über dem Verkehrswert liegt. Auch hat der Schuldner selbst immer wieder seinen Gesundheitszustand angeführt und bemängelt, dass dieser durch das Gericht ignoriert worden sei. Gleichzeitig hat er sich jedoch nach Bestellung eines bzw. mehrerer Sachverständigen eine Begutachtung entzogen bzw. die Terminierung verzögert.“
So fassten die Richter zusammen: „Ein Gericht könne und müsse eine zwingende gesetzliche Vorschrift insoweit unberücksichtigt lassen, als ihre Anwendung im Einzelfall die Wirkung eines Rechtsmissbrauchs hätte … Die Gebote von Treu und Glauben gelten hierbei im Zivilprozess und damit über § 869 ZPO in der Zwangsversteigerung ebenfalls“.

Das Original-Urteil kann hier abgerufen werden:

LG Mainz, Az.: 8 T 126/20

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