(ip/RVR) Nach einem Beschluss des V. Zivilsenats des BGH ist die Rechtsbeschwerde nicht alleine deshalb nach § 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO zuzulassen, weil sich der Schuldner durch ein Zwangsversteigerungsverfahren in seinem Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit verletzt sieht.
Ferner sei die Verschlechterung des Gesundheitszustands und die sich daraus ergebende Möglichkeit einer Kurzschlusshandlung mit anschließendem Suizid des Schuldners nicht dem allgemeinen Lebensrisiko zuzuordnen und könne eine Einstellung der Zwangsvollstreckung rechtfertigen.

Über das Grundstück der Schuldnerin wurde das Zwangsversteigerungsverfahren eröffnet und in dessen Verlauf der Zuschlag an den Meistbietenden erteilt. Gegen den Zuschlagsbeschluss wehrte sich die Schuldnerin mit der Beschwerde. Sie sei akut suizidgefährdet. Zur Untermauerung legte sie ein nervenfachärztliches Attest bei.

Das Amtsgericht hat Beschwerde nicht abgeholfen, das Landgericht hat nach Einholung eines neurologisch-psychatrischen Gutachtens die Beschwerde mit der Begründung zurückgewiesen, die Gläubigerinteressen an der Fortsetzung des Verfahrens überwögen diejenigen der Schuldnerin, da keine konkrete Suizidgefahr vorliege. Der Eintritt einer solchen Gefahr könne zwar bei Fortsetzung des Verfahrens nicht ausgeschlossen werden, eine solche Verschlechterung sei aber dem allgemeinen Lebensrisiko zuzuordnen. Das Beschwerdegericht ließ aber die Rechtsbeschwerde, weil es der Sache grundsätzliche Bedeutung beimaß.

Der BGH entschied aber allein aufgrund von § 574 Abs. 3 Satz 2 ZPO. Ein Zulassungsgrund liege im gegebenen Fall nicht vor. Insbesondere werfe der Fall keine entscheidungserheblichen, klärungsbedürftigen und klärungsfähigen Rechtsfragen auf, auch nicht schon deshalb, weil der Schuldner bei Fortsetzung des Versteigerungsverfahrens möglicherweise suizidgefährdet ist. Dies sei in erster Linie Tatfrage und von der jeweiligen Psyche des Schuldners abhängig.

Auch die Anknüpfung an eine mögliche Verletzung des Grundrechts aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG ändere hieran nichts. Dem Gesetzgeber stehe es frei, die Zulässigkeit von Rechtsmitteln an die Rüge bestimmter Rechtsverletzungen zu binden. Bei dem in Rede stehenden Rechtsbehelf sei dies der Fall, da die Rechtsbeschwerde wie auch die Revision nur in den Fällen des § 574 Abs. 2 ZPO zuzulassen sei.

Bei der Bewertung der konkreten Suizidgefahr seien dem Beschwerdegericht Fehler unterlaufen. Zum einen habe das Gericht auf den falschen Zeitpunkt - nämlich den Zeitpunkt der Untersuchung - abgestellt. Es komme aber auf den Zeitpunkt des Eigentumsverlusts an. Dieser sei mit Rechtskraft des Zuschlagsbeschlusses erreicht. Für diesen Zeitpunkt sei das Beweisergebnis im Hinblick auf die Verschlechterung des psychischen Zustands jedoch offen.

Eine solche Verschlechterung sei nicht dem allgemeinen Lebensrisiko zuzuordnen. Die Möglichkeit der angesprochenen Kurzschlusshandlung entstehe alleine durch das Vollstreckungsverfahren, weshalb auch eine an sich gebotene Abwägung der widerstreitenden Interessen von vornherein ausscheide. „Kann das Leben des Schuldners durch eine Vollstreckungsmaßnahme in Gefahr geraten, weil dieser unfähig ist [...] die Konfliktsituation situationsangemessen zu bewältigen, muss das Vollstreckungsgericht diesen Umstand beachten und ihm bei der Durchführung des Verfahrens Rechnung tragen“ (Rz. 26 der Entscheidung).

BGH vom 07.10.2010, Az. V ZB 82/10


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