(ip/RVR) Der Bundesgerichtshof hat kürzlich entschieden, dass "die Austauschpfändung eines nach § 811 Abs. 1 Nr. 5 ZPO unpfändbaren Kraftfahrzeuges nur zulässig ist, wenn das Ersatzstück eine annähernd gleiche Haltbarkeit und Lebensdauer wie das gepfändete Fahrzeug aufweist."
Im zu entscheidenden Fall betrieb die Gläubigerin, die Vollstreckung aus Forderung von 46.014,09 EUR gegen die Schuldnerin dahingehend, dass ihr der Audi TT durch den Gerichtsvollzieher am 08.05.2008 gepfändet wurde. Nunmehr beantragte sie am 13.03.2009 die Austauschpfändung gegen einen VW Golf II 1,3 G-Kat des Baujahres 1990. Der TÜV Bericht aus April 2008 wies einen Kilometerstand von 200.000, Verrostungen an Hinterachse und überaltete Reifen aus. Hingegen hatte der Audi TT mit Baujahr 2000, 50.000 km Laufleistung und einen Händlereinkaufswert von 12.300,00 EUR. Mit diesem legte die Schuldnerin die Wege vom Wohnort zu den Arbeitsstellen als Krankschwester im Schichtdienst zurück. Das Amtsgericht gab dem Antrag der Gläubigerin statt. Die sofortige Beschwerde der Schuldnerin wurde zurück gewiesen, so dass sie mit der Rechtsbeschwerde ihr Begehr weiter verfolgt.
Der Bundesgerichtshof gab der zulässigen und statthaften Rechtsbeschwerde statt.

Der Senat bestätigt, dass Beschwerdegericht, dass die Schuldnerin beim PKW sich auf dessen Unpfändbarkeit nach § 811 Abs. 1 Nr. 5 ZPO berufen kann, da dieser für die Wege zwischen Wohn- und Arbeitsort verwandt wird.

Jedoch genügt der Austausch PKW "nicht dem geschützten Verwendungszweck der Fortführung der Erwerbstätigkeit, § 811a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 811 Abs. 1 Nr. 5 ZPO."
Der Senat führt aus, "die Pfändungsverbote des § 811 Abs. 1 ZPO dienen dem Schutz des Schuldners aus sozialen Gründen im öffentlichen Interesse und beschränken die Durchsetzbarkeit von Ansprüchen mit Hilfe staatlicher Zwangsvollstreckungsmaßnahmen." Dies rührt aus den aus den im Grundgesetz verankerten "garantierten Menschenwürde bzw. allgemeinen Handlungsfreiheit", Art. 1 und 2 GG. Hierdurch soll sowohl dem Schuldner, als auch seinen Familienangehörigen, "durch sie die wirtschaftliche Existenz erhalten werden, um – unabhängig von Sozialhilfe – ein bescheidenes, der Würde des Menschen entsprechendes Leben führen zu können." Ziel des § 811 Abs. 1 Nr. 5 ZPO ist es, "dass der Schuldner seine Arbeitskraft für sich und seine Familienangehörigen einsetzen kann; er soll auch künftig den Unterhalt für sich und seine Familienangehörigen aus eigenen Kräften erwirtschaften können."

Grundsätzlich ist eine Austauschpfändung möglich, so dass ein höherwertiger PKW gegen einen einfachen getauscht wird. Nur muss dieser "dem geschützten Verwendungszeck nach seiner Ausgestaltung genügen, er muss jedoch nicht von gleicher Art und Güte sein."

Der Bundesgerichtshof weist darauf hin, dass § 811 Abs. 1 Nr. 5 ZPO nur dann erfüllt ist, "wenn die Fortsetzung der Erwerbstätigkeit auch zukünftig und für einen nicht nur kurzfristigen Zeitraum gewährleistet ist. Der Schutz des Schuldners nach § 811 ZPO wäre unvollkommen, wenn das Ersatzstück nicht die annähernd gleiche Haltbarkeit und Lebensdauer wie der gepfändete Gegenstand aufweisen würde."

Im zu entscheidenden Fall ist dies nicht der Fall. Eine vergleichbare Haltbarkeit ist nicht gegeben, so dass kein Ersatzstück vorliegt, "das geeignet wäre, den durch das Pfändungsverbot des § 811 Abs. 1 Nr. 5 ZPO geschützten Verwendungszweck zu erfüllen." Nach alledem hob der Senat die Beschlüsse auf und wies den Gläubigerantrag auf Austauschpfändung zurück.

BGH vom 16.06.2011, VII ZB 114/09 VII ZB 114/09


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