(ip/RVR) Der 7.Senat des BGH hatte über die Rechtmäßigkeit zweier Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse und der auf ihnen beruhenden Verwaltungsanordnung zu entscheiden.

Mit den Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen wurde der für die Schuldner als Gesamtberechtigte nach § 328 BGB im Grundbuch eingetragene Nießbrauch an dem im Eigentum der Drittschuldnerinnen stehenden Grundstück gepfändet. Zum Zwecke der Ausübung des Nießbrauchs durch die Gläubigerin hatte das Amtsgericht gem. § 857 Abs.4 ZPO die Verwaltung des Grundstücks angeordnet. In den Beschlüssen heißt es: 'Die Verwaltung richtet sich nach den Vorschriften für die Zwangsverwaltung gemäß § 146ff. ZVG. Der Verwalter wird ermächtigt, sich selbst den Besitz des Grundstückes zu verschaffen ...'

Der Senat führte hierzu aus: Das Vollstreckungsgericht ist gemäß § 857 Abs.4 ZPO berechtigt, bei der Zwangsvollstreckung in ein Nutzungsrecht eine Verwaltung anzuordnen. Diese hat sich nach der Rechtsprechung des BGH an die Vorschriften zur Zwangsverwaltung in §§ 146ff. ZVG anzulehnen.

Zur Wahrnehmung der dem Nießbrauchsberechtigten zustehenden Nutzungsrechte muss der Verwalter, wie sich aus § 152 Abs.1 ZVG ergibt, das Grundstück zweckentsprechend im Sinne der Gläubigerbefriedigung verwalten und nutzen; hierzu benötigt er den Besitz an dem Grundstück. Nach Maßgabe der Regelung in § 150 Abs.2 ZVG kann das Vollstreckungsgericht den Verwalter ermächtigen, sich den Besitz des mit dem Nießbrauch belasteten Grundstücks zu verschaffen.

Die für die Zwangsvollstreckung in ein Nießbrauchsrecht an einem Grundstück gemäß § 857 Abs.4 Satz 1, 2 ZPO vorgesehene Verwaltung des Grundstücks setzt deshalb ebenso wie die Zwangsverwaltung nach §§ 146ff. ZVG den unmittelbaren oder mittelbaren Besitz des Schuldners voraus.

Den unmittelbaren Besitz kann sich der Verwalter mit Hilfe der im Pfändungsbeschluss enthaltenen Ermächtigung verschaffen, wobei der Beschluss Vollstreckungstitel gemäß § 794 Abs.1 Nr.3 ZPO ist und notfalls mit Hilfe des Gerichtsvollziehers durchgesetzt werden kann. Den mittelbaren Besitz des Nießbrauchsberechtigten erlangt er durch Einweisung oder bereits durch die Anordnung und Übertragung der Verwaltung mit der Annahme des Amtes durch den Verwalter. Ist aber der Schuldner weder unmittelbarer noch mittelbarer Besitzer des Grundstückes und verweigert der Dritte, der den Besitz innehat, die Herausgabe, ist die Zwangsverwaltung rechtlich nicht durchführbar. Denn die Ermächtigung gilt nur für den Besitz des Schuldners, wohingegen der Zwangsverwalter den Eigenbesitz eines Dritten nur mit dessen Einverständnis erlangen kann. Ist dieser nicht zur Herausgabe bereit, ist eine Besitzverschaffung durch den Verwalter nicht möglich.

Die Anordnung der Verwaltung hängt aber nicht von der Feststellung des Vollstreckungsgerichts ab, dass der Schuldner das mit dem Nießbrauch belastete Grundstück tatsächlich besitzt. Wenn die Eintragung des Nießbrauchs im Grundbuch nachgewiesen ist, ordnet das Vollstreckungsgericht die Verwaltung nach § 857 Abs.4 ZPO ohne eine Prüfung an, ob der Schuldner den Besitz an dem Grundstück innehat. Das Zwangsvollstreckungsverfahren ist grundsätzlich nicht dazu bestimmt, Streitigkeiten über die der Zwangsvollstreckung zugrunde liegenden Ansprüche auszutragen. Auch das Zwangsverwaltungsverfahren dient nicht dazu, streitige Rechtsverhältnisse zwischen den Beteiligten aufzuklären. Deshalb wird nach der Rechtsprechung des BGH die Zwangsverwaltung im Regelfall ohne Prüfung angeordnet, ob der Eigentümer den hierfür erforderlichen Eigenbesitz an dem Grundstück innehat. Nur wenn dem Vollstreckungsgericht zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Anordnungsantrag bekannt ist, dass der Schuldner keinen Besitz hat, sondern sich das Grundstück im Eigenbesitz eines Dritten befindet, muss der Antrag mangels Rechtsschutzbedürfnisses abgelehnt werden. Die Anordnung der Zwangsverwaltung scheitert aber nicht bereits daran, dass der hierfür erforderliche Eigenbesitz des eingetragenen Eigentümers bestritten wird. Vielmehr muss derjenige, der den Eigenbesitz eines nicht als Eigentümer in das Grundbuch eingetragenen Dritten behauptet, diesen Eigenbesitz durch Vorlage liquider Beweismittel nachweisen. Gelingt ihm das nicht, hat das Gericht die Zwangsverwaltung anzuordnen, und der Dritte muss seine - streitigen - Rechte mit der Widerspruchsklage nach § 771 ZPO im Prozesswege geltend machen.

Diese Grundsätze gelten bei Pfändung eines Nießbrauchsrechts ebenso für die Anordnung der Verwaltung nach § 857 Abs.4 ZPO. Mit der Einräumung des Nießbrauchs erwirbt der Nießbraucher das Recht zum Besitz, § 1036 Abs.1 BGB. Wenn die Eintragung des Nießbrauchs nachgewiesen ist, ist in ähnlicher Weise wie beim eingetragenen Eigentümer für seinen Eigenbesitz davon auszugehen, dass der Nießbraucher zumindest mittelbaren Besitz an dem mit dem Nießbrauch belasteten Grundstück innehat. Infolge dessen besteht hier wie dort kein Anlass für das Vollstreckungsgericht, die Besitzverhältnisse zu prüfen und Feststellungen dazu zu treffen, ob der Nießbraucher das Grundstück besitzt.

Stellt der zur Inbesitznahme ermächtigte Verwalter im Rahmen der Vollstreckung fest, dass der Nießbraucher keinen, auch keinen mittelbaren Besitz an dem Grundstück hat, darf die Vollstreckungshandlung nicht ausgeführt werden und er muss seine Verwaltertätigkeit einstellen. Nimmt er hingegen das Grundstück in Ausübung des Nießbrauchsrechts in Besitz, ist es nach obigen Grundsätzen jedem Dritten, der hierdurch sein Recht zum Besitz beeinträchtigt sieht, zuzumuten, Drittwiderspruchsklage nach § 771 ZPO zu erheben.

BGH vom 09.12.2010, Az. VII ZB 67/09


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