(IP) Inwieweit bei Wohneigentumserwerb parallele Zwangsversteigerungsverfahren und die dabei erzielten Werte objektiv über die Sittenwidrigkeit eines Kaufvertrages Auskunft erteilen können, befand das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf in einem aktuellen Verfahren. Die Klägerin dort begehrte von einer ehemaligen Bank Schadensersatz im Zusammenhang mit dem Erwerb einer von ihr finanzierten Eigentumswohnung.

Die Klägerin hatte zum Preis von ca. 134.000,- EUR eine Wohnung in einer Eigentumsanlage gekauft. Zur Finanzierung schloss sie einen Darlehensvertrag mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten, bestellte eine Grundschuld und unterwarf sich der sofortigen Zwangsvollstreckung in ihr gesamtes Vermögen.

Zeitlich etwas später erhielt sie aus der Wohnung keine Mieteinnahmen mehr. Seitdem hat sie die monatlichen Zahlungen auf den Darlehensvertrag eingestellt. Darauf betrieb die Beklagte die Zwangsvollstreckung: die eingeleiteten Anträge auf u. a. Zwangsversteigerung wurden allerdings wieder zurückgenommen. Gespräche der Parteien über die Darlehensforderung führten jedoch zu keinem Ergebnis. Darauf focht die Klägerin den Darlehensvertrag an und stellte Schadensersatzansprüche. Demgegenüber behauptete die Käuferin, von den Mitarbeitern, die ihr sowohl Kaufvertrag als auch das Darlehen vermittelt hätten, arglistig getäuscht worden zu sein. Sie habe ursprünglich überhaupt keine Immobilie erwerben wollen, sondern eigentlich nur Kontakt aufgenommen, da sie ein Kleindarlehen für die Reparatur ihres PKW benötigt habe. Man habe ihr jedoch den Erwerb der bewussten Eigentumswohnung angeboten; das benötigte Geld für die Reparatur des PKW habe man ihr nach dem Kauf der Wohnung geschenkt und habe behauptet, die Wohnung finanziere sich bis auf eine Zuzahlung in Höhe von monatlich 100,- Euro komplett aus den anfallenden Mieteinnahmen.

Das OLG gab ihr Recht, verurteilte die Beklagte u. a. zur Freistellung von Zahlungen und formulierte im Urteil:

„ Ein Rechtsgeschäft ist ... sittenwidrig, wenn es nach seinen aus der Zusammenfassung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu entnehmenden Gesamtcharakter mit den guten Sitten nicht zu vereinbaren ist. Hierbei ist weder das Bewusstsein der Sittenwidrigkeit noch eine Schädigungsabsicht erforderlich; es genügt vielmehr, wenn der Handelnde die Tatsachen kennt, aus denen die Sittenwidrigkeit folgt. ... Das ist insbesondere dann der Fall, wenn der begünstigte Vertragspartner die wirtschaftlich schwächere Lage des anderen Teils bewusst zu seinem Vorteil ausnutzt oder wenn er sich leichtfertig der Einsicht verschließt, dass sich der andere nur unter dem Zwang der Verhältnisse auf den ungünstigen Vertrag einlässt“.„Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist der Senat davon überzeugt, dass der Kaufpreis für die Wohnung der Klägerin objektiv in einem die Sittenwidrigkeit des Kaufvertrages begründenden Ausmaß überhöht gewesen ist.“ „Als Basis für diese Feststellung geht der Senat zunächst davon aus, dass sich die Wohnung selbst wie auch die gesamte Wohnungseigentumsanlage jedenfalls im Kern auch schon bei Abschluss des Kaufvertrages ... in demselben schlechten baulichen Zustand befunden haben, wie ihn der Sachverständige ... bei seiner Begutachtung im Rahmen des Zwangsversteigerungsverfahrens ... sowie ... im Zuge der Vorbereitung eines Gutachtens in dem weiteren Zwangsversteigerungsverfahren ... vorgefunden hat, dass in der Wohnungseigentumsanlage ... erhebliche Leerstände zu verzeichnen waren und dass die Anlage in mit dem örtlichen Immobilienmarkt vertrauten Kreisen auch schon ... als "sozialer Brennpunkt" mit einem ungünstigen Wohnumfeld allgemein bekannt war.“

OLG Düsseldorf, Az.: 17 U 107/11


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