Öffentliche Last ist dingliches Recht
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(IP) Hinsichtlich europäische Binnengrenzen überschreitende Zwangsvollstreckungen hat der EuGH mit Leitsatz entschieden.
„Auf dem Grundbesitz ruhende öffentliche Last stellt dingliches Recht im Rahmen des europäischen Insolvenzverfahrens dar“.
„Art. 5 der Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Rates vom 29. Mai 2000 über Insolvenzverfahren ist dahin auszulegen, dass eine Sicherheit, die gemäß einer Vorschrift des nationalen Rechts wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden bestellt wurde, nach der auf dem Grundstück des Grundsteuerschuldners kraft Gesetzes eine öffentliche Last ruht und dieser Eigentümer die Zwangsvollstreckung aus dem Steuertitel in den Grundbesitz dulden muss, ein „dingliches Recht“ im Sinne dieses Artikels darstellt.“
„(24) Die automatische Anerkennung eines Insolvenzverfahrens, auf das regelmäßig das Recht des Eröffnungsstaats Anwendung findet, kann mit den Vorschriften anderer Mitgliedstaaten für die Vornahme von Rechtshandlungen kollidieren. Um in den anderen Mitgliedstaaten als dem Staat der Verfahrenseröffnung Vertrauensschutz und Rechtssicherheit zu gewährleisten, sollten eine Reihe von Ausnahmen von der allgemeinen Vorschrift vorgesehen werden.
(25) Ein besonderes Bedürfnis für eine vom Recht des Eröffnungsstaats abweichende Sonderanknüpfung besteht bei dinglichen Rechten, da diese für die Gewährung von Krediten von erheblicher Bedeutung sind. Die Begründung, Gültigkeit und Tragweite eines solchen dinglichen Rechts sollten sich deshalb regelmäßig nach dem Recht des Belegenheitsorts bestimmen und von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht berührt werden. Der Inhaber des dinglichen Rechts sollte somit sein Recht zur Aus- bzw. Absonderung an dem Sicherungsgegenstand weiter geltend machen können. Falls an Vermögensgegenständen in einem Mitgliedstaat dingliche Rechte nach dem Recht des Belegenheitsstaats bestehen, das Hauptinsolvenzverfahren aber in einem anderen Mitgliedstaat stattfindet, sollte der Verwalter des Hauptinsolvenzverfahrens die Eröffnung eines Sekundärinsolvenzverfahrens in dem Zuständigkeitsgebiet, in dem die dinglichen Rechte bestehen, beantragen können, sofern der Schuldner dort eine Niederlassung hat. Wird kein Sekundärinsolvenzverfahren eröffnet, so ist der überschießende Erlös aus der Veräußerung der Vermögensgegenstände, an denen dingliche Rechte bestanden, an den Verwalter des Hauptverfahrens abzuführen.“
Eine nach französischem Recht errichtete Gesellschaft war Eigentümerin eines in Deutschland gelegenen Grundstücks. Das französische Landgericht hatte für diese ein Betriebssanierungsverfahren (Insolvenz) angeordnet. Darauf hatte die betreffende deutsche Gemeinde wegen rückständiger Grundsteuern die Zwangsversteigerung des Grundstücks beantragt, wobei sie sich auf die Vollstreckbarkeit der Steuerforderung berief - und das Amtsgericht hatte die Zwangsversteigerung des Grundstücks angeordnet. Der deutsche Insolvenzverwalter wurde mit seiner sofortigen Beschwerde vom deutschen Landgericht abgewiesen und wandte sich an den Bundesgerichtshof, um zum einen die Aufhebung des Beschlusses des Amtsgerichts und um zum anderen die Löschung des Zwangsversteigerungsvermerks im Grundbuch zu erwirken. Der BGH hatte sich darauf an EUGH gewandt – und der urteilte jetzt endgültig.
EuGH, Az.: C-195/15