(ip/RVR) Über die Verpflichtung eines Unternehmens die Insolvenzeröffnung im Internet abzufragen, hatte der Bundesgerichtshof kürzlich zu entscheiden.

Die Klägerin ist Treuhänderin des am 18.01.205 über das Vermögen des Schuldners eröffneten vereinfachten Insolvenzverfahrens. Der Schuldner kündigte während des Verfahrens eine 1995 bei der Beklagten abgeschlossene Lebensversicherung. Den Rückkaufswert in Höhe von 1.961,90 EUR übersandte die Beklagte der Schuldnerin per Verrechnungsscheck. Die Klägerin forderte die Beklagte zur Zahlung auf das Anderkonto auf, da diese nicht schuldbefreiend geleistet habe. Die Beklagte verwehrte dies, wegen Unkenntnis von der Insolvenzeröffnung. Das Amtsgericht gab der Klage statt. Das Berufungsgericht hob das Erstinstanz Urteil auf. Hiergegen richtet sich die Revision der Klägerin.

Der BGH wies die Revision der Klägerin als unbegründet zurück.

Zwar wäre infolge unwirksamer Kündigung durch den Schuldner (§§ 80 Abs. 1,81 Abs. 1 InsO) der Beklagten ein Bereicherungsanspruch wegen Zahlung einer Nichtschuld möglich, dieser ist nach §§ 81 Abs. 1 S. 3, 55 Abs. 1 Nr. 3 InsO keine Masseverbindlichkeit, "weil trotz formalen Massezuflusses gemäß § 35 Abs. 1 InsO der Treuhänder für die Gläubigerbefriedigung nichts erlangt hat." Die Schuldnerin müsste diesen aus ihrem freien Vermögen begleichen. So dass grundsätzlich eine Aufrechnung der Beklagten gegenüber der Klägerin nach § 96 Abs. 1 Nr. 4 InsO unzulässig wäre. Jedoch gibt es hierbei im Schrifttum auch eine einschränkende Auslegung, dem Neugläubiger in Unkenntnis der Insolvenzeröffnung, soll "aus Gründen des Verkehrsschutzes entsprechend § 406 BGB die Aufrechnung gegen den Insolvenzverwalter gestattet sein, ebenso wie ihm bei einer Zahlung an den Schuldner persönlich der Schutz des § 82 InsO zustehe." In Angleichung der Beweislastverteilung an § 82 InsO ist durch die Beklagte die Unkenntnis der Insolvenzeröffnung zu beweisen. Wird der Drittschuldner "trotz Leistung nach § 82 InsO nicht frei, steht ihm im Regelfall gegen den Insolvenzschuldner wegen Verfehlung des Erfüllungszwecks der Leistung ebenfalls ein Anspruch auf Herausgabe der ungerechtfertigten Bereicherung zu. Der Senat bejaht, dass das Berufungsgericht dem Beklagten Leistungsfreiheit gemäß § 82 InsO zusprach.

Der BGH führt aus, dass die geschaffene Möglichkeit Insolvenzbekanntmachungen im Internet einzeln abzufragen einen enormen Zeit- und Personalaufwand erfordert, der im gesamten automatisierten Zahlungsverkehr und Schalterbetrieb nicht in Betracht kommt.

Dem Gesetzgeber sei nicht vorzugreifen, ob die erleichterte Informationsgewinnung ausreichend ist, "den Masseschutz zu Lasten des Verkehrsschutzes in § 82 InsO zu stärken." Wie der BGH bereits in einem früheren Urteil entschied, ist die Beweislast für die Unkenntnis der Insolvenzeröffnung über das Vermögen des Empfängers auf den leistenden Drittschuldner übergegangen. "Ein weiterer Regelungswille, dass ein Unternehmen, das umfangreichen Zahlungsverkehr zu bewirken hat, sich als Drittschuldner auf Unkenntnis einer im Internet öffentlich bekannt gemachten Insolvenzeröffnung nur berufen darf wenn es organisatorische Vorkehrungen geschaffen hat, die im Internet zugänglichen Informationen für seine Unternehmenszwecke aufzunehmen und weiterzuverarbeiten, hat das Gesetz bisher nicht zum Ausdruck gebracht." Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass dies bewusst geschah und weiterhin die Zumutbarkeit der Informationsbeschaffung über die Eröffnung von Insolvenzverfahren verneint. "keine eine entsprechende Lücke im Gesetz nicht festgestellt werden, ist die Rechtsprechung auch nicht befugt, sie im Wege richterlicher Rechtsfortbildung zu schließen."

Der Internetanschluss ist kein Willensausdruck, von einem bestimmten Informationsangebot Gebrauch zu machen. Nach treu und Glauben sind die Unternehmen nicht gehindert, sich auf Ihre Unkenntnis zu berufen.

Insofern kann die Klägerin keine Zahlung vom Beklagten fordern. Der Senat stellt klar, dass entweder die Beklagte gemäß § 82 InsO an die Insolvenzschuldnerin befreiend leistete oder an diese aufgrund unwirksamer Kündigung zunächst ohne Rechtsgrund leistete, anschließend nach einschränkender Auslegung des § 96 Abs. 1 Nr. 4 InsO gegenüber der Klägerin wirksam aufrechnete mit dem Bereicherungsanspruch. Somit war die Klage abzuweisen.

BGH vom 15.04.2010, Az. IX ZR 62/09


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