(ip/RVR) Das Oberlandesgericht Celle hat entschieden: Tritt der Insolvenzschuldner einem zweitrangigen Grundpfandgläubiger zur Sicherheit den Anspruch auf Auskehrung des Übererlöses aus der Grundstücksverwertung ab, so kann diesem Anspruch die Insolvenzfestigkeit fehlen, wenn zwischen Schuldner und Grundpfandgläubiger ersten Ranges eine weite Sicherungszweckerklärung bestand.

Die klagende Bank gewährte dem späteren Insolvenzschuldner im Jahre 1999 ein Darlehen, welches mit einer zweitrangigen Grundschuld und einer Abtretung von Rückgewähransprüchen vor- bzw. gleichrangiger Grundschulden (inklusive der Ansprüche auf Auszahlung des Übererlöses im Verwertungsfalle) besichert wurde. Erstrangige Grundpfandgläubigerin war ebenfalls eine Bank, die dem Schuldner einen Kredit gewährt hatte.

Nachdem der Schuldner seinen Zahlungsverpflichtungen aus den Darlehensverträgen nicht mehr nachkam, wurden jene gekündigt und das Zwangsversteigerungsverfahren angeordnet. Der erstrangigen Gläubigerin wurde die Abtretung des Rückgewähranspruchs angezeigt, diese stimmte dem zu.

Sodann wurde über das schuldnerische Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet und eine Verwalterin bestellt.

Nach der Zwangsversteigerung ergab sich für die erstrangige Bank nach Verrechnung mit den gesicherten Forderungen ein Überschuss, welcher an die Insolvenzverwalterin ausgewiesen wurde. Die zweitrangige Bank machte diesen Betrag klageweise gegen die Insolvenzverwalterin geltend; ihr stünde ein Recht auf abgesonderte Befriedigung zu, schließlich sei ihr der Anspruch auf Auszahlung des Übererlöses bereits im Jahre 1999 abgetreten worden, weshalb auch § 91 InsO der Abtretung nicht entgegenstehen könne.

In erster Instanz war die Klägerin mit ihrem Begehren erfolgreich. Auf Berufung der Beklagten hob das OLG Celle die Entscheidung auf.

Der Klägerin stünde der Anspruch auf Auskehr des Übererlöses nicht zu. Stellvertretend für den Schuldner stünde der Anspruch der Insolvenzverwalterin zu. Zwar sei der Anspruch abgetreten worden, ein besseres Recht auf den Übererlös sei mangels Absonderungsrecht nach §§ 50, 51 Nr. 1 InsO jedoch nicht entstanden, weil die Abtretung nicht insolvenzfest gewesen sei. Der Grund dafür sei die Wirkung von § 91 InsO: Zwar sei die vorgenommene Sicherungsabtretung grundsätzlich geeignet, ein Absonderungsrecht zur Entstehung zu bringen, allerdings erst, wenn der Rechtserwerb vollendet ist. Im Falle der Vorausabtretung sei maßgeblich, wann die abgetretene Forderung entsteht. Ist dies nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens der Fall, stünde einem Forderungserwerb § 91 InsO entgegen. „Nur wenn der Zessionar bereits vor der Eröffnung [...] eine gesicherte Rechtsposition hinsichtlich der abgetretenen Forderung erlangt hat, ist die Abtretung insolvenzfest“ (Rz. 38 der Entscheidung).

Zweifelhaft sei indessen, ob es sich bei dem Anspruch auf Erlösauskehr um eine bedingte/betagte Forderung aus dem Jahre 1999 (dann insolvenzfest) oder eine zukünftige Forderung mit Entstehung im Versteigerungstermin (dann nicht insolvenzfest) handelt. Für Ersteres hatte sich der V. Zivilsenat des BGH ausgesprochen (Urteil vom 5. November 1976 - V ZR 5/75). Nach dem OLG Celle müssten hier jedoch die Grundsätze herangezogen werden, die der IX. Senat des BGH in seiner Entscheidung vom 9. März 2006 (IX ZR 11/05 = BGHZ 166, 319 ff.) getroffen hat. Danach sei auch die Abtretung des Rückgewähranspruchs nicht als insolvenzfest anzusehen - der Anspruch auf Auskehr des Übererlöses stelle nur eine „Verlängerung“ dieses Anspruchs im Falle der Verwertung des Grundstücks dar. Nach der weiten Sicherungszweckvereinbarung zwischen Schuldner und erstrangiger Bank hätte die Klägerin nicht verhindern können, dass die Grundschuld auch zur Sicherung weiterer Verbindlichkeiten herangezogen wird, etwa durch eine Neuvalutierung der freigewordenen Teile der Grundschuld. Der Insolvenzschuldner oder später die Verwalterin hatten es also in der Hand, den Anspruch der Klägerin zu vereiteln. Dass es in casu nicht dazu kam, sei unerheblich, denn für die Insolvenzfestigkeit komme es alleine auf die abstrakte Möglichkeit der Rechtsvereitelung an. Von einer gesicherten Rechtsposition könne vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens mithin nicht die Rede sein.

OLG Celle vom 14.07.2010, Az. 3 U 23/10


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